Cranio-mandibuläre Dysfunktion
deutsch english version español versión

Untersuchungsmethoden

Ganzheitliche Medizin

Grundlage

Um den Betroffenen zu schonen, sollte - wie in der gesamten Medizin gültig – nicht von Beginn an die maximale Diagnostik, sondern ein stufenweise eskalierendes Untersuchungsverfahren ablaufen. Außerdem gilt für alle Untersuchungen der Grundsatz, dass die Diagnostik auch zur Therapie führen soll und nicht um ihrer selbst willen durchgeführt werden darf.
(www.dzz.de/beitragpdf/pdf_1309.pdf).

Die Untersuchungen sollen ebenso dem Grundsatz praktisch, sinnvoll und durchführbar gehorchen. Voraussetzung zur Diagnose der CMD ist - wie in der gesamten Medizin empfohlen - ein ausführliches Arztgespräch mit gründlicher Anamnese. Dabei sollen standardisierte Fragebögen oder –schemata zum Einsatz kommen sowie i.d.R. ein schmerzpsychologischer Filterfragebogen zur Früherkennung von psychosozialen Beeinträchtigungen.

Eine „normale“ zahnärztliche Untersuchung mit Feststellung und Überprüfung der Zähne, ihrer Füllungen, Kronen und des Zahnersatzes ist Grundlage. Dazu gehört die Suche nach Karies, eine Vitalitätsprüfung (meist als „Kältetest“ bekannt) und der PSI (Parodontitis Screening Index), ein Test zur Feststellung einer Parodontitis-Belastung.
Eine Röntgenaufnahme des gesamten Kiefers (Panoramaschichtaufnahme) zum Ausschluss zahnärztlicher und kieferchirurgischer Krankheitsursachen. (z.B. verlagerte Zähne, chronische Entzündungen von Zahnwurzeln, versteckte Karies (besonders „hidden caries“) oder parodontitis-bedingtem Knochenabbau) ist zwingend.

Panorama-Aufnahme mit einem verlagerten Zahn (Zahn 48 = rechter unterer Weisheitszahn) -roter Pfeil-
einer chronischen apicalen Parodontitis der Zähne 46 und 47 -grüne Pfeile-
und außerdem Hinweise auf Unterschiede in den Kiefer-
gelenken -blaue Pfeile-

Es folgt eine somatische Untersuchung von Kieferöffnung, Kopfmuskulatur und Kiefergelenken (Funktionsstatus). Werden hierbei direkt spürbare Einflüsse auf die „fernen Symptome“ wie z.B. Reaktionen der Nackenmuskulatur fühlbar ist eine physiotherapeutische Befunderhebung sinnvoll. Wichtiger Bestandteil ist das Abtasten der Muskulatur im Kopf-Hals-Bereich und der Kiefergelenke mit den Fingerspitzen. Dabei wird die Druck- und Schmerzempfindlichkeit der entsprechenden Regionen, insbesondere empfindliche punktförmige Bereiche, die sogenannten Triggerpunkte, festgestellt. Außerdem wird die Körperhaltung sowie die Beweglichkeit des Kopfes zur Diagnose herangezogen.

Erhärtet sich der Verdacht, sind ergänzende zahnärztliche Untersuchungen notwendig: Instrumentelle Modellanalyse mit Okklusions- und (myozentrischer) Bissanalyse und Artikulatorprogrammierung. Der Artikulator ist ein Kau- und Kieferbewegungssimulator und erlaubt dem Spezialisten festzustellen, welche Faktoren den Biss stören. Gegebenenfalls ist ein MRT (Magnetresonanztomogramm) der Kiefergelenke angezeigt. Bei komplexen Krankheitsbildern sollen andere Fachrichtungen hinzugezogen werden, z.B. zum Ausschluss neoplastischer Geschehen (in der Regel haben aber die Betroffenen bereits alle möglichen Fachrichtungen aufgesucht und sind daher differentialdiagnostisch abgeklärt).

Zusammenfassung
Die fachzahnärztliche Untersuchung erfolgt nach dem „Triple A“ Schema:

- Anhören und Ausfragen
- Abtasten und Anfassen
- Ausmessen und Ausrechnen


Für tiefer Interessierte Hinweise zur standardisierten Untersuchung:

MFA bzw. MSA nach Bumann (www.p-s-t.net/de/3/manuellestrukturanalyse.html)
Vorteil: Klar strukturierter Befund, Schwergewicht liegt auf Gelenk-Befund.
Nachteil: Muskulärer Befund könnte umfangreicher sein.

CMD-Test nach Ahlers (www.prodente.de/test-und-checklisten/cmd-test.html)
Formblätter: www.dentaconcept.de/Formblaetter/Basis-Set.shtml
Vorteil: Klar strukturierter Befund, umfangreiche Formularbögen zur konsiliarischen Überweisung an andere Fachärzte.
Nachteil: Muskulärer Befund könnte umfangreicher sein.

RDC-Test (ubwp.buffalo.edu/rdc-tmdinternational/wp-content/uploads/sites/58/2017/01/RDC-German.pdf)
Vorteil: International anerkannter Befund, Untersucher müssen sich kalibrieren.
Nachteil: Die einzusetzenden Kräfte der Finger des Untersuchers sind zu schwach, um bei vielen CMD-Patienten eine Reaktion zu erreichen (CMD-Patienten nehmen wegen der jahrelangen Schmerzen oft geringe Schmerzsignale beim Abtasten nicht mehr wahr); Muskelbefunde kommen zu kurz.

Modellanalyse:

Anhand von atypischen Kauflächen und anderen Oberflächen der Zähne können Rückschlüsse auf die möglichen Störungen gezogen werden. Mindestvoraussetzung ist allerdings das sogenannte arbiträre Einartikulieren der Modelle (d.h. mittels eines sogenannten Gesichtsbogens werden die Modelle mit guter Näherung zur „Kiefergelenksachse“ in einen Artikulator eingesetzt).
Vorteil: Einfach durchzuführen.
Nachteil: Die Position der Kiefer wird nur mit der habituellen Bisslage (d.h. in der gewohnheitsgemäßen Bisslage) erfasst.

Aufzeichnung der Gelenkbahn:

Mittels entsprechender, heutzutage elektronisch unterstützter, Hilfen wird die Bewegung der Kiefer, insbesondere der Kiefergelenke aufgezeichnet.
Vorteil: Weitestgehend reproduzierbar, meist lässt sich die momentane Gelenkachse sehr genau bestimmen.
Gute diagnostische Information, sehr gut zur Dokumentation geeignet
Nachteil: Sehr aufwändig, ergibt so gut wie keine direkten Hinweise auf die Therapie bzw. die therapeutische Bisslage.
Dient auch nicht zur Bestimmung der richtigen Bisslage.

Abbildung einer Gelenkbahnaufzeichnung und Bestimmung der individuellen momentanen Gelenkachse mit dem Cadiax®-System

Achtung:
Die alleinige Anlegung eines sogenannten Gesichtsbogens stellt noch keine Funktionsdiagnostik dar, sondern überträgt nur die ungefähre Lagebeziehung Gelenkachse zum Oberkiefer!
Abbildung der arbiträren Übertragung der Lagebeziehung Gelenkachse zum Oberkiefer mittels des Artex®-Gesichtsbogen und der Leipziger Glabellastütze®.
In einem einfachen Artikulator erkennt man so am besten,
wie der Oberkiefer in das Gerät montiert wurde.

Bestimmung der Bisslage:

Manuell
Dies ist die am besten reproduzierbare Bisslage, da sie den Unterkiefer-Gelenkkopf (z.B. mit Dawson-Griff) an die hintere obere knöcherne Begrenzung der Gelenkgrube (sog. dorso-kraniale Position) drückt. Dies ist allerdings keine physiologische Gelenkstellung (diese Gelenkflächen sind auch die am häufigsten durch Überlastung entzündeten Gelenkteile), sondern eine behandlerdeterminierte.
Vorteil: Reproduzierbar.
Nachteil: Ergibt eine pathologische Lagebeziehung der Kiefer zueinander.

Habituell
In den meisten Fällen reproduzierbar, gibt sie die momentane – meist pathologische – Beziehung der Kiefer zueinander wieder.
Vorteil: Leicht zu bestimmen, meist reproduzierbar.
Nachteil: Ergibt die momentane pathologische Lagebeziehung der Kiefer zueinander.
(www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10632846?dopt=Citation)

Myofunktionell
Mit aufwändiger Untersuchungstechnik stellt man die von den Muskeln gewünschte Kieferrelation dar und kann sie mit der zahnbedingten Ist-Beziehung vergleichen.
Vorteil: Gut reproduzierbar, der hiermit ermittelte Unterschied zwischen zahngeführter Bisslage und muskelgeführter Wunschstellung der Kiefer zueinander kann ausgeglichen und so die CMD erfolgreich therapiert werden.
Nachteil: Aufwändig.

Mögliche Untersuchungsverfahren:
Stützstift:
www.ipr-original.de
www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11757325?dopt=Citation
www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19089144...
Stützstift
Dieses Verfahren wurde 1905 von Gysi vorgestellt und von McCrane weiterentwickelt. Es beruht auf dem Prinzip, dass eine 3-Punkt-Abstützung immer stabil und verwackelungssicher steht (z.B. wackelt ein Tisch mit drei Beinen nie).

Die Abstützungen bei der zahnärztlichen Anwendung sind die beiden Kiefergelenke und ein auf einem vorübergehend in den Mund eingebrachten Schreibstift, der auf einer Schreibplatte so ruht, dass die Zähne sich nicht berühren.

Damit werden die Unterkieferbewegungen aufgezeichnet und man kann dann die zahnunabhängige und muskelgesteuerte Position des Unterkiefers bestimmen.

Vorteil: Relativ einfach und sicher.
Nachteil: Der Abstand der Kiefer zueinander muss bei der Messung oft so
erhöht werden, dass die Unterkieferbewegung schon aus der Rotations-
bewegung in eine Gleit-Bewegung übergegangen ist.
Ohne EDV-Hilfe ist die Aufzeichnung sehr klein.
Abbildung einer Stützstiftaufzeichnung in Originalgröße
(siehe Schieblehre zum Größenvergleich)

Ausweg: Vogel entwickelte unter Zuhilfenahme eines elektronischen Sensors die Stützstiftaufzeichnung weiter und führte gleichzeitig eine Kraftkontrolle ein.
Er fand heraus, dass bei einer Krafteinwirkung zwischen 10N und 30N auf den Schreibstift die Kaumuskulatur rechts und links (ziemlich) gleich angespannt ist und so ein durch unterschiedliche Muskelkraft seitliches Schrägziehen des Unterkiefers vermieden wird.

(www.ipr-original.de)
Patient mit EMG-Elektroden und Magnetkinesiograph

EMG:
Die Elektromyographie wurde von Dr. Jankelson in die Zahnheilkunde eingeführt.
Die geeignete Technik, das K7-Gerät, dazu wird von der amerikanischen Firma Myotronics geliefert.
Die Elektromyographie erfasst die neuromuskuläre Aktivität verschiedener Muskelpaare der Kaumuskulatur in Ruhe, beim Öffnen und Schließen.
Mittels der Muskelaktivität wird nach der Vorbehandlung mit Niederfrequenz-Tens (Reizstrom) die Bestimmung der muskelgesteuerten Bisslage ermöglicht.
Die Analyse der Innervation bei maximalem Zubiss dient der Einschätzung der Okklusionsqualität der vorhandenen Situation und in einer späteren Messung der Genauigkeit der Aufbiss-Schiene bzw. der Restauration.
Vorteil: Sehr genaue Berücksichtigung der Muskelspannung
Nachteil: Sehr geräteaufwendig; schwierige Bestimmung der Bisslage


Mit diesen Daten (Scan 5) kann man die optimale Bisslage bestimmen.


Weitere Infos hierzu: www.sinfomed.de/Zahnmedizin/Funktionsdiagnostik/