Cranio-mandibuläre Dysfunktion
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Ursachenbeschreibung

Ganzheitliche Medizin

Pathogenese (Ursache)

Da die Ursachen oft unklar sind, wird eine multifaktorielle Genese vermutet.

In mindestens 80% der Fälle soll die Okklusion ursächlich oder hauptverantwortlich
an der CMD beteiligt sein.

Prädisponierende, auslösende und unterhaltende Faktoren umfassen biologische, psychische und soziale Elemente.

Vermutete und diskutierte Faktoren

Depression
Emotionaler Stress
Frühere Schmerzerfahrungen
Genetik
Hormone
Haltungsstörungen
Makrotrauma durch Unfälle
Okklusale Störungen
Posttraumatische Belastungsstörung
Körperliche Fehlstellungen und Dysfunktionen im Beckenbodenbereich

Das System von Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen, Zähnen und sonstigem Gewebe ist vielschichtig miteinander verbunden und durch Nerven eng miteinander verknüpft.
Wird dieser Regelkreis an einer Stelle aus beliebigem Grund gestört folgt daraus als typische Reaktion des Körpers eine Gegenregulation, ggf. an anderer Stelle. Kann diese Gegenregulation erfolgreich durchgeführt werden, bleibt das Geschehen symptomlos – es ist kompensiert.
Bei vergeblicher Gegenregulation oder - dies ist häufiger der Fall - bei Versagen der Gegenregulation durch Überbeanspruchung einzelner Teile des Systems treten die zuvor genannten Symptome auf.
Es kann aber auch zu einem Rückkopplungseffekt kommen:
Die Ursache bewirkt eine Gegenregulation - bei nicht voll erfolgreicher Gegenregulation erfolgt eine Rückwirkung auf den Ursachenort, was zu einem verstärkten Gegenregulationsversuch führt... usw.

Vielfach sind die Ursachen unklar, sicher ist, dass eine multikausale Genese vorliegt.
Nicht beeinflussbare Entwicklungsstörungen der Kiefer und Schäden durch Trauma oder Tumore sind eindeutige Ursachen. Prädisponierende, auslösende oder unterhaltende Faktoren können stressbedingt, genetisch, hormonell oder haltungsbedingt sein.
Es gibt Hinweise, dass Fibromyalgie und CMD in ursächlichem Zusammenhang stehen können.

Psychische Faktoren äußern sich meist im „Bruxismus“ = Zähneknirschen oder im unbewussten Pressen der Zahnreihen aufeinander. Dies ist eine typisch menschliche Art von Stressbewältigung. Nicht umsonst kennt man in der deutschen Sprache Ausdrücke wie „sich durchbeißen“, „beiß die Zähne zusammen“, „ein verbissener Mensch“.

Begünstigende Faktoren für Bruxismus sind Unregelmäßigkeiten in der Beziehung der Zahnreihen zueinander (=Okklusion).
Als Ursache dafür kommen in Frage: Fehlbildung der Zähne, Nichtanlage von Zähnen, durch Karies zerstörte Kauflächen, insuffiziente Füllungen, insuffiziente Kronen, Zahnverlust, insuffizienter Zahnersatz.
Außerdem gibt es Untersuchungen, dass Antidepressiva und Neuroleptica Bruxismus auslösen können.
(Drug-Induced Bruxism Vol. No: 30:01 Posted: 1/19/05 Olanrewaju Obisesan,xPharmD Supervising Pharmacist Rite Aid Pharmacy Buffalo,
New York US Pharm. 2005;1)

Einfluss der Okklusion bzw. des Bisses

Als Dreh- und Angelpunkt kann man den Schluckvorgang bezeichnen: Der Mensch schluckt etwa 500 - 2500-mal am Tag, ohne es großartig zu merken, seinen Speichel in kleinen Mengen hinunter. Dieser Schluckvorgang ist ein hochkomplexer und hochkomplizierter physiologischer Prozess, an dem eine Vielzahl von Muskeln, Nerven und Organen (Lippen, Wangen, Zunge, Gaumensegel, Rachen, Kehlkopf, Stimmbänder, Speiseröhre, ...) beteiligt sind. Dabei müssen sich die Zähne berühren.

Vereinfachter Ablauf des Schluckens:

Ist genügend Speichel im Mund angesammelt, entsteht das Bedürfnis zu schlucken: Die Zunge schiebt den Speichel nach hinten in den Rachen. Sodann hebt sich das Gaumensegel und die Rachenmuskulatur zieht sich zusammen. Dadurch wird der Nasen-Rachenraum abgedichtet.
Jetzt schließen sich die Zahnreihen, da der Unterkiefer als stabile Unterlage für den Schluckvorgang benötigt wird. Dann zieht sich die Mundbodenmuskulatur zusammen. Dadurch schiebt sich der Kehlkopfeingang nach oben und verschließt sich, so dass keine Nahrung in die Luftröhre gelangen kann. Gleichzeitig zieht sich die Rachenmuskulatur wellenförmig zusammen und schiebt den Speichel in die Speiseröhre.

Bei alledem sollten die beteiligten Muskeln auf der rechten und linken Seite gleichzeitig und gleichmäßig arbeiten.
Nun kommen hier die Zähne ins Spiel: Wenn die Kaumuskeln den Befehl zum Schließen des Mundes erhalten, wird diese Tätigkeit durch den ersten Zahnkontakt unterbrochen: Sobald sich das erste Zahnpaar berührt, erfolgt die Kontrolle, ob sich die anderen Zahnpaare auch berühren. Ist dies der Fall, so ist diese momentane Aufgabe der beteiligten Muskeln beendet.

Oft berühren sich aber nicht alle Zähne gleichzeitig oder der Unterkiefer muss gar in eine neue Position verschoben werden und so ergeht der Auftrag an die großen Kaumuskeln, sich weiter zusammenzuziehen, bis sich alle Zahnpaare berühren.
Da der Unterkiefer elastisch geringfügig verformbar ist und die Zähne auch elastisch in ihrem Zahnbett aufgehängt sind, und die Unterkieferposition verändert werden kann, gelingt anschließend dieser allgemeine Zahnkontakt und das Schlucken kann fortgesetzt werden. Dieser Prozess kann von uns nicht mit dem Willen gesteuert und kontrolliert werden.

Was sind aber nun die Folgen, wenn die Muskeln beim Mundschließen und Schlucken immer "nachziehen" müssen? - Sie werden dann vorgespannt, verkürzen und verhärten sich. Gegen diese starke Mundschließer-Muskulatur (sie ist sehr kräftig, weil ihre eigentliche Aufgabe die Zerkleinerung von Nahrung ist) muss anschließend beim Öffnen des Mundes eine viel schwächere (sie soll ja auch nur den Mund öffnen) Muskulatur arbeiten.

Diese Muskeln - die im wesentlichen den Mundboden bilden - sind einerseits am Unterkiefer befestigt, andererseits aber am Zungenbein, dem einzigen Knochen im menschlichen Körper, der frei hängt, d.h. nicht über Gelenke mit anderen Knochen verbunden ist.

Da sie gegen die verkürzte und verhärtete Mundschließermuskulatur arbeiten müssen, verkürzen und verhärten diese Muskeln auch. Durch das Verkürzen wird nun das Zungenbein nach vorne gezogen, was zur Folge hat, dass die Muskeln, die das Zungenbein direkt und indirekt mit dem Brustbein, Schulterblattbereich, Schädelbasis und der Halswirbelsäule verbinden, auch verkürzen.
Dadurch kommt es wiederum zur Fehlstellung bzw. Fehlhaltung des Kopfes, Halses und der Schultern und damit verbundenen Schmerzen.
Durch das Verhärten der Muskulatur wiederum sind die zum Kopf hin- und vom Kopf wegführenden Blutgefäße auch beeinträchtigt, was sich negativ auf die Durchblutung des Kopfes auswirkt. Dieses beeinflusst Migräne und Tinnitus, in Einzelfällen kann es sogar die alleinige Ursache dafür sein.
Außerdem kann dieses Schwindelattacken auslösen oder sie verstärken. Ebenso ist damit eine Beeinflussung der Regelung des Blutdruckes möglich.

In der obigen Abbildung (einer Umzeichnung nach dem Anatom Brodie) ist der Zusammenhang schematisch dargestellt
(das Hyoid heißt auf deutsch „Zungenbein“).

Das ungleichmäßige Zusammenziehen der Mundschließermuskulatur bewirkt zum anderen auch, dass auf der Seite, wo diese Muskeln verkürzt sind, auch der Druck im Kiefergelenk erhöht wird und dadurch die bindegewebige Gelenkscheibe (wir nennen sie einfach und kurz "Discus") zwischen der Gelenkgrube und dem Unterkiefergelenkkopf gestaucht wird.
Dies führt zu erhöhtem Verschleiß und dabei zu Reibegeräuschen und/oder Knackgeräuschen im Kiefergelenk.

Reibegeräusche sind das Zeichen, dass der Discus durchlöchert ist und dadurch Knochen auf Knochen reibt. Dies führt in der Regel zu chronischen Schmerzen, die aber nicht zwangsläufig im Kiefergelenk auftreten müssen.

Knackgeräusche zeigen meist an, dass der Discus beim Öffnen und Schließen des Mundes nicht korrekt mitgleitet und bei den Bewegungen hängt. In vielen Fällen kommt es dann zu einer stärkeren Vorverlagerung dieses Discus, die dann eine Einschränkung der Mundöffnung zur Folge hat.

Cofaktoren sind sämtliche Faktoren, die die Zahnstellung oder die Lagebeziehung der Kiefer zueinander
(den „Biss“) beeinflussen:

- Zahnlücken
- Zahnkippungen
- Schlecht sitzende oder abgenutzte Brücken oder Teil- bzw. Vollprothesen
- Abgenutzte Füllungen
- Karies
- Kieferorthopädische Behandlungen
- Falsche Körperhaltung
- Falsche Schlaflage
- Einseitiges Abstützen des Kopfes
- Häufiges Telefonieren mit zwischen Schulter und Ohr eingeklemmtem Telefon
- Schlechtes Schuhwerk
- Häufiges Stehen auf einem Bein